Der neue Wohntrend ist der Urlaub
Welche Dekorationen bei der Einrichtung und Dekoration im Trend sind, zeigten die ersten Messen zum Jahresbeginn 2020 – und dann kam unerwartet Corona. Was hat sich verändert?
Ein Trend entsteht eigentlich nicht plötzlich: Über Jahre baut sich das gesellschaftliche Interesse daran auf, bis ein Trend seinen Höhepunkt erreicht – und damit für uns im Handel auch wirklich als Trend bemerkbar ist.
Doch Corona hat unseren Alltag, unsere Gefühle und die zumindest zeitweisen Lebensumstände von gefühlt heute auf morgen verändert. Was hat das mit den Trends gemacht?, fragt der dpa-Themendienst Nicolette Naumann, Trendexpertin und Bereichsleiterin der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt.
Haben sich Wohn- und Alltagstrends durch Corona verändern?
Nicolette Naumann: Es ist ja nicht so, dass die Welt gerade das erste Mal eine Katastrophe erlebt. Aber wir hatten sowas lange nicht mehr – und auch nicht zeitgleich auf der ganzen Welt.
Ich glaube aber, dass sich insgesamt weniger langfristig verändern wird, als man glauben könnte. Der Mensch hat einen restaurativen Charakter, er will schnell zurück in sein gewohntes Leben und in sein bekanntes Umfeld. Wir werden jetzt nicht alle zu Stubenhockern.
Die Krise rüttelt völlig neue Gefühle wach – Ängste, Sorgen. Wie wirkt sich das Wohnen aus?
Naumann: Wir neigen dazu, uns in so einer Krise erst mal sehr stark auf das zu konzentrieren, was anstrengend ist – etwa die Kinderbetreuung und das Homeschooling. Aber ich höre auch viele Berichte von Eltern, die inzwischen auch Positives in der Situation sehen.
Sie erleben ihre Kinder stärkerim Alltag, sie verbringen viel mehr Zeit mit ihnen. Sie lernen zusammen, sie kochen zusammen, sie bepflanzen den Balkon gemeinsam. Wir rechnen damit, dass das, was in der Krise aus einer Notwendigkeit heraus entstanden ist, jetzt zu einem echten Trend wird.
Welcher Trend ist für Sie im Moment am deutlichsten?
Naumann: Wir bereiten mehr Essen selbst zu. Wer von uns Berufstätigen hat zuletzt konstant über Wochen zwei Mahlzeiten am Tag für die ganze Familie zubereitet? Jetzt war das notwendig. Das hat sich im Handel niedergeschlagen: Zahlen zeigen, dass die Nachfragen nach Zubehör fürs Backen und Kochen um ein Vielfaches gestiegen sind.
Auch für Container zum Aufbewahren von Essen gilt das – und die sind auch nach dem Lockdown stark gefragt, etwa für Picknicks beim Ausflug. Oder im Büro, weil die meisten Kantinen noch geschlossen haben.
Das Food-Storage war übrigens vorher schon ein Trend, es gibt zunehmend stylishe und praktischere Container auf dem Markt – der Nachhaltigkeit wegen. Aber das Interesse dafür konzentrierte sich noch auf ein kleines Milieu jetzt wird daraus erst ein breiter Trend.
Gleiches gilt für handliche Küchengeräte – ein Trend, weil es immer mehr Singlehaushalte gibt. Nun gibt es auch verstärkt Interesse daran, weil sie zum Beispiel für Kinderhände besser geeignet sind.
Flacht das Interesse an solchen Produkten nicht wieder ab, wenn der Alltag sich normalisiert?
Naumann: Werden die meisten von uns in Zukunft auch zweimal am Tag für die ganze Familie zu Hause kochen? Und so viel backen? Sicher nicht. Aber ich bin der Meinung, dass die Idee, mehr selbst zu kochen, zu backen und das auch gemeinsam mit den Kindern zu machen, auch künftig erhalten bleibt.
Viele Menschen verbringen in diesem Jahr mehr Zeit zu Hause, arbeiten sogar dort. Dekoriert man dann anders?
Naumann: Der Balkon und die Terrasse werden gerade stark eingerichtet. Da viele Menschen in diesem Jahr im Urlaub nicht wegfahren werden, verändert sich hier etwas: Bislang gab es einen Fokus auf die neue Landlust – man holte sich also etwas Natur ins Haus, gerade in der Stadt.
Nun gehen wir davon aus, dass verstärkt das Fernweh in Form von Dekorationen thematisiert wird. Man holt sich also andere Regionen, die man aktuell nicht oder nur mit Umständen bereisen kann, nach Hause – das reicht von Italien und Griechenland bis zur Südsee. Immer der Ort, der bei jedem einzelnen eine Sehnsucht anspricht.
Und die Küche bekommt vermehrt einen Fokus, wird wohnlicher. Die Menschen brauchen jetzt zu Hause jeden möglichen Raum, der ihnen zur Verfügung steht. Man arbeitet zum Beispiel etwa viel am Küchentisch, also wird der Raum noch stärker genutzt. dpa