Entdecken in aller Ruhe
Ohne Hektik geht es durch die schmalen Gassen der Altstadt Funchals und schon nach kurzer Zeit verlassen wir die Hauptstadt in Richtung Westen, vorbei an Câmara de Lobos. Die Stadt gilt als der madeirische Fischerort schlechthin. Sogar Winston Churchill konnte sich dem Zauber der farbigen Boote nicht entziehen und fertigte ein Gemälde der Bucht an.
Meine Frau und ich selbst hatten uns für eine Fahrt in den Norden der Insel entschieden, angepriesen mit „Portugals größtem Rosengarten und atemberaubender Natur“. Wir wurden nicht enttäuscht! Diese längere Tour von acht Stunden führt über Ribeira Brava durch den Naturpark Madeira über São Vicente in den üppigen Norden mit Rückfahrt über Santana, Ribeiro Frio, Poiso und Monte nach Funchal. Alles ist offen auf dieser Tour, wie damals in Tunesien, wo ich alleine im Taxi – und nicht im Bus – den Spuren von Luke Skywalker folgte und die Orte in Ruhe entdeckte, an denen die epische Star Wars-Geschichte begann. So stört nämlich die Masse an Touristen nicht, die einem nach einer Busankunft meistens vor die Kamera laufen.
Der Naturpark Madeira ist der Jurassic Park Europas, ein großes Naturreservat mit einer einzigartigen, endemischen Flora und Fauna. 1982 gegründet, um das Naturerbe des Archipels zu schützen, enthält es viele vom Aussterben bedrohte Arten. In der Nähe von São Vicente liegt auch das Laurisilva von Madeira, ein Schutzgebiet für diesen Waldtypus. Die unzugänglichen Lorbeerwälder sind seit dem 2. Dezember 1999 UNESCO-Weltnaturerbe.
Abseits vom Massentourismus führt uns die Tour über schmale Straßen und kleinere Dörfer mit Häusern, die wie Schwalbennester an den Berghängen kleben. Gut getaktet, mit immer wieder kleinen Fotostopps an wunderschönen Aussichtspunkten, schlägt uns Miguel spontan kleine Änderungen der Tour vor: „Wie wäre es mit einer kleinen Levadawanderung, auf dem Encumeada-Pass? Sie genießen einen tollen Ausblick, aber wir müssen uns beeilen, bevor die Wolken die Überhand nehmen – sehen Sie, da oben!“ Ein kurzes Okay und einige Kurven später genossen wir einen Blick von „ganz oben“ auf den Naturpark. Danke Miguel!
Besondere Einblicke
Die offiziellen Zahlen sprechen von mindestens 2 000 km Wasserwegen, den sogenannten Levadas. Diese erfüllen gleich mehrere Funktionen; dienen der Bewässerung der Felder für die Bauern – bezahlt wird pro Stunde – , sind Wasserstraßen die das Trinkwasser aus den Bergen in die Dörfer und Städte bringen, werden als Transport- und Wege zwischen den Häusern und Dörfern genutzt und leisten einen kleinen Beitrag bei der Energieerzeugung. Ganz nebenbei locken Sie auch den Wandertourismus auf die Atlantikinsel. Für 2022/2023 wird erwartet, dass Madeira 50 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energieträgern erzeugen kann. Ganz nebenbei locken sie auch den Wandertourismus auf die Atlantikinsel.
Miguel entpuppte sich nicht nur als exzellenter Taxifahrer auf dieser kurvenreichen Insel, sondern auch als ein stadt- und inselbekannter Madeirer. Flexibel und bekannt wie ein bunter Hund, das zahlte sich u.a. auch beim Mittagessen aus. In der Casa de Palha (= Haus aus Stroh) in Sâo Jorge gab es typische, einfache und leckere Hausmannskost. Ganz nebenbei versprach Miguel der Inhaberin der Taverne in den kommenden Tagen „mal mit der ehemaligen Serviertochter ein Wörtchen zu reden“. Diese hatte den Betrieb nach vielen Jahren guter Arbeit für eine neue Stelle in Funchal verlassen. Miguel weiß, wo Sie jetzt arbeitet!
Im Dorf Porto da Cruz entdeckten wir die Zuckerrohrmühle, eines der wichtigsten, lebendigen Zeugnisse der glorreichen Zuckerproduktion der Insel. 1927 erbaut, ist sie mit Maschinen aus dem 19. Jahrhundert ausgestattet. In Bezug auf das Erbe ist auch das kleine Museum von großer Bedeutung. Es widmet sich ausschließlich der Herstellung von Zuckerrohrrum. Mit der Ernte zwischen März und Mai kann man jedes Jahr hautnah die Geräusche, Bewegungen und Gerüche miterleben. Bei unserem Besuch Ende Juni konnten wir sozusagen als „Digestif nach dem Mittagessen“ im Rumhaus direkt neben der Mühle eine Gratisprobe verschiedener Sorten probieren.
Die Chemie zwischen uns als Kunde und Miguel als Taxifahrer stimmte. An dieser Stelle ein Dank, dass er uns auch einiges von seinem Privatleben anvertraute – von seinen Schicksalsschlägen, die nicht ohne waren! Lobende Worte bei einem Glas hauseigenem Madeirawein gab es am Ende des Tages auch für „seine Leena“, die neue Lebensgefährtin aus Finnland, die ihre Liebe zu der Insel im Atlantik und zu ihm fand. Sie ist die gute Seele im Taxiunternehmen und zeigt sich verantwortlich für den Inhalt der Webseite in vier Sprachen. Respekt!
Auf der Internetseite taxi-madeira.com werden Ausflüge, Touren und Wanderungen angeboten. Uns beiden hat die ruhige, gemütliche Tour mit Miguel Pereira (also Herrn Birnbaum in der Übersetzung) sehr gefallen.
Sollten Sie einmal Ihren Urlaub auf Madeira verbringen, vermeiden Sie das traditionelle Getränk „Poncha“, welches bereits fertig vorbereitet in einem größeren Krug auf der Theke steht. Mit einem madeirischen Brand aus frischem Zuckerrohrsaft, Bienenhonig und einheimischen Zitronen sollte es frisch zubereitet werden. Petz Sandt (Text & Fotos)